Guten Tag [Vorname] [Nachname]
Diese Tage habe ich das 13. BEREC Stakeholder Forum in Brüssel besucht und bin mit sehr gemischten, teilweise etwas frustrierten Gefühlen zurückgekehrt. BEREC steht für «Body of European Regulators for Electronic Communications» und ist quasi der Club der verschiedenen nationalen Regulationsbehörden der EU-Länder. Auch die schweizerische ComCom ist dabei.
Die Aufgabe eines Telekom-Regulators ist, die Marktstruktur der Telekommunikation zu regulieren, also dafür zu sorgen, dass die alternativen Internetanbieter eine faire Chance am Markt haben. Vor etwa 25 Jahren gab es fast überall nur eine Monopolistin pro Land, die Telekommunikationsdienstleistungen anbieten konnte – man spricht jeweils vom «Incumbent».
Wenn man ein Monopol aufbricht, liegt es in der Natur der Sache, dass der Marktanteil des ehemaligen Monopolisten von ursprünglich 100% sukzessive sinkt. Es ist deshalb auch verständlich, dass der Incumbent mit allen legalen und manchmal illegalen Mitteln darum bemüht ist, seinen Marktanteil zu halten. Dies geschieht auf den OSI-Layern 1 bis 3.
Bekanntlich sind wir von Init7 schon seit über einer Dekade in diverse Rechtsstreitigkeiten – meistens gegen Swisscom – involviert und konnten auch bereits einige Erfolge verzeichnen. Am bekanntesten ist sicher der Glasfaserstreit (OSI-Layer 1): Mit Hilfe der schweizerischen Kartellbehörde, der Wettbewerbskommission WEKO, konnten wir verhindern, dass der Incumbent das Glasfasernetz in einer Monopol-Netztopologie bauen kann, die den Innovationswettbewerb über viele Jahre verhindert hätte.
Doch auch auf Layer 3 befinden wir uns in einem Dauerstreit. Der Hintergrund: Ein Provider besitzt ein technisches Monopol des Internetzugangs über seine Endkunden, und dieses technisch gegebene Monopol wird vielerorts missbraucht, insbesondere von Incumbents. Unser Fall nennt sich «Interkonnektions-Peering» und ist seit 13 Jahren pendent – im Moment erneut vor dem Bundesverwaltungsgericht, denn Swisscom hat die kürzliche Verfügung der ComCom an die nächste Instanz weitergezogen. Unser Fall ist in der BEREC-Community auf grosses Interesse gestossen und wird in deren Bericht vom Sommer 2024 prominent erwähnt (Anhang 1, Seite 40).
Man weiss also bei BEREC und den verschiedenen nationalen Regulatoren sehr wohl, dass diverse Incumbents in Europa den exklusiven Zugang zu ihren Endkunden illegalerweise missbrauchen, indem sie ihn nur gegen Bezahlung vollständig öffnen. Trotzdem scheint unser Interconnect-Peering-Fall fast der einzige seiner Art zu sein, der diesen Missbrauch erfolgreich zu unterbinden vermag – wenn er denn irgendwann, nach mehr als 10 Jahren, zu einem Abschluss kommen sollte.
In der BEREC-Community scheint die Doktrin vorherrschend, dass man lieber beobachtet, abwartet, ein weiteres Assessment veranlasst und das Ergebnis dann in einen weichgespülten, getexteten Report abfüllt, der schliesslich in einer Schublade verrottet. Statt endlich mal hart durchzugreifen – Kraft des Amtes, die ein nationaler Telekom-Regulator eigentlich hätte. Jedem bei BEREC ist vollkommen klar, dass das Verhalten der Deutschen Telekom insbesondere, aber auch diverser anderer Incumbents illegal und schädlich ist – gegen die Menschen, gegen die Innovation und auch gegen die Netzneutralität. Trotzdem passiert wenig bis nichts. Das ist frustrierend und zermürbend.
Wenn Sie bis hierhin gelesen haben und fast nichts verstanden haben, dann macht das nichts. Wir von Init7 werden weiterhin die Fahne für ein „nicht kaputtes Internet“ hochhalten und gegen die destruktiven Mächte kämpfen: Incumbents, die ihr Monopol missbrauchen, untätige Regulationsbehörden mit ihrer Laisser-Faire-Doktrin, die Strafverfolgung mit ihrem unersättlichen Appetit auf anlasslose Überwachung der Menschen und Firmen, die glauben, die Netzneutralität sei eine «quantité négligable», wenn es um den eigenen Profit geht. Der Kampf gleicht manchmal einem gegen Windmühlen und ist meistens pro bono, aber wir sind der unerschütterlichen Überzeugung, dass man nicht auf halbem Weg aufgeben darf. Wenn Sie uns unterstützen wollen, dann empfehlen Sie unser «nicht kaputtes Internet» Ihren Freunden und Bekannten – das ist für uns die schönste Anerkennung.
Fredy Künzler, Internet-Aktivist